Mehr Bilder an die Wand! Aber welche?
Minimalistische Kunstdrucke, schwarz-weiß Poster vergangener Kunstausstellungen, die man nie besucht hat – mancher Wandschmuck ist so stilsicher wie austauschbar. Damit die heimische Bilderwand sich zum Fotomotiv eignet: gut gestylt, schnell geteilt und nahtlos eingefügt in die Bilderflut aus dem Netz. Was das mit mir zu tun hat? Nichts. Denn ich tue mich schwer mit der Bild-Auswahl für unsere Wände. Wobei „Auswahl“ eigentlich das falsche Wort ist, denn es klingt gerade so, als würde ich online auf Motivsuche gehen. Und mir meine Auswahl dann fertig gerahmt dann bequem nach Hause liefern lasse. Frei nach dem Motto: heute gestalte ich die Wohnzimmerwand mit Bildern. Aber so funktioniert das bei mir (leider) nicht. Sonst wären die Wände unserer Wohnung nämlich schon voll mit Bildern – bis zum Stuck hoch. Denn da soll es hin gehen. Aber…
…für mich sind Bilder das Persönlichste einer Wohnung – Chance und Risiko, eine gelungene Einrichtung mit einem Bild (zumindest im Auge einer externen Betrachterin) voll gegen die Wand zu fahren. Und das liegt noch nicht einmal an einer möglichen Belanglosigkeit des Motivs. Manchmal ist es auch das Format, der Rahmen oder ein fehlendes Passepartout, weshalb ein Bild nicht funktioniert. Oder die Wand. Manchmal auch die Wandfarbe. Und dann ist da ja auch noch die Einrichtung, zu der die Bilder irgendwie in einem (bestenfalls spannungsvollen) Verhältnis stehen. Und: darf man eigentlich Bilder aufhängen, von dem ein Familienmitglied aus irgendeinem Grund peinlich berührt ist? – ich finde nein – Müssen alle Bilder auch Allen gefallen? – bei uns bisher nicht vorgekommen –
Ein Blick in den von Kiefern gerahmten Sommerhimmel auf meiner Lieblingsinsel (noch ohne Passepartout). Ein Plattencover mit einer Achterbahn, meine geisterhafte Tochter auf dem Balkon im 36. Stock eines Hotels in Vancouver – an für uns bedeutungsvollen Motiven mangelt es dank Fabian nicht. Was dann folgt, geht manchmal wie von selbst, manchmal dauert es Monate: welche Größe braucht das Motiv, um zu wirken? Wieviel Passepartout? Und welche Rahmung?
Andere Bilder begleiten mich schon länger. Dürfen hängen, weil ich an ihnen hänge oder an den Erinnerungen, die sie in sich bergen. Wie das Ölbild, das mein Vater als Student malte und dessen Farbe langsam abblättert, die Blues-Schallplatte, die mich an unbeschwerte Momente meiner Kindheit erinnert oder der Schnappschuss meines (sehr nassen) Hundes, der mich 13 Jahre lang begleitete.
Natürlich gehört auch Kinderkunst an die Wand. Davon hängt bei uns momentan noch etwas zu wenig – vor allem im Vergleich zu der Masse an Bildern, die hier täglich geschaffen werden. Aber vielleicht ist das auch der Grund, warum alles so viel langsamer geht, als ich es gern hätte: ich sehe den Wald vor lauter (wunderschönen) Bäumen nicht.
Anders bei einer lieben Kundin, die ich schon mehrfach in Sachen Bilderaufhängung beraten durfte und die in meinen Augen einen bewundernswert leichten Umgang mit Bildern pflegt. Einmal kurz nach dem Einzug in ihre neue Wohnung vor Ort und ein zweites Mal vor Kurzen – dank Corona dann online. Der Ausgangspunkt war bei beiden Beratungen gleich: ein Stapel Bilder. Für eine bessere Übersicht der Werke haben wir die gemeinsam auf dem Boden verteilt und gruppiert. Nach Themen, Motiven, Farben, Formen. So entstanden während der ersten Beratung Bilderwände für das Schlafzimmer, den Flur und das Wohnzimmer.
Die Bildauswahl für das Kinderzimmer schickte sie mir dann per Mail: als Gruppenfoto aller Bilder, die untergebracht werden sollten, auf dem Boden liegend. So konnte ich die Größenverhältnisse gut einschätzen und ihr zwei Vorschläge für das Arrangement der Bilder an den Wänden im Kinderzimmer zurückschicken. Mit dem Ergebnis ist auch die kleine Bewohnerin sehr glücklich…